Sackgasse oder Wendepunkt? Vier Schritte durch die Krise

Wir werden alle mit Veränderungen konfrontiert. Manchmal passt uns unser Leben selbst nicht mehr – sei es unser Job oder eine Beziehung. Viel öfter jedoch werden wir unfreiwillig vor vollendete Tatsachen gestellt. Wir können uns von ihnen lähmen lassen oder aktiv das Steuer in die Hand nehmen und den Moment der Veränderung für uns und unsere persönliche Entwicklung nutzen. Wer versteht, aus welchen vier Phasen eine Krise besteht, der kommt leichter durch und besser aus ihr heraus.

Was uns als Sackgasse erscheint, ist oft nur ein Wendepunkt, an dem wir die Richtung selbst bestimmen können

Wendepunkt, der

Substantiv, maskulin

Bedeutung:

1.     Die Stelle, an der gewendet wird

2.     Zeitpunkt, an dem sich etwas bedeutend verändert

3.     Punkt eines Funktionsgraphen… (Mathematik halt)

Praktisch gesehen ist ein Wendepunkt die Stelle, an der jemand umkehrt. Umzukehren heißt aber nicht zwangsläufig rückwärts zu gehen, sondern genauso, sich zu besinnen, auf das, was wichtig ist. Umzudenken und sein Handeln zu ändern. Mal haben wir keine Wahl als uns neu auszurichten, beispielsweise bei Krisen oder Krankheit. Mal fühlen wir uns fremdbestimmt oder gestresst und spüren, dass wir so nicht weitermachen wollen und da mehr sein muss, dass wir unsere Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft haben.

So eine Revision findet oft in der zweiten Lebenshälfte statt. „Der zweite Frühling“ verweist darauf, bei Männern wird es oft negativ konnotiert als „Midlife-Crisis“ abgestempelt. Beide Begriffe werden oft mit einem Augenzwinkern verwendet. Dabei handelt es sich bei vielen tatsächlich um eine Zeit der schweren Krise und Erschütterung. Das Magazin der Süddeutschen hat diesem Phänomen im letzten Jahr ein ganzes Heft gewidmet, allerdings mit der Konzentration auf Männer. Das Männerheft-Spezial lief auch unter dem Titel „Wendepunkte“. Darin Momente, die alles verändern, aber auch eine Autorin, die ihren Vater dafür bewundert, dass er sein Leben lang denselben Job macht.

Wir entscheiden selbst zu bleiben

Sein Leben lang den gleichen Job zu machen ist heutzutage auch eine Entscheidung, denn wir können eigentlich jeden Tag aufstehen und gehen. In jedem Leben ist jeder Moment ein Wendepunkt. Wir haben die Möglichkeit jeden Tag neu zu entscheiden, was wir tun möchten oder auch nicht. Auch nichts zu tun und zu bleiben ist eine Entscheidung!

Es gibt also keinen logischen Grund, Entscheidungen aufzuschieben oder sich in Jammerzirkeln zusammen zu schließen. Proaktivität heißt hier das Zauberwort, um der Falle zu entfliehen und ein unglückliches oder ungesundes Leben zu führen. Es wird immer gute Gründe geben, sich gegen Veränderung zu stellen. Wir sind Gewohnheitsmenschen. Und aus dem gewohnten Terrain auszubrechen, kostet erst einmal viel Energie. Diese mögliche sichtbare Anstrengung nehmen daher nur ungern in Kauf.

Kurzer Energieaufwand für langfristige Zufriedenheit

Wir sollten uns bewusst machen und nachspüren, ob sich ein kurzfristiger Energieaufwand lohnt, um langfristig ein ausgeglicheneres Energiekonto zu haben als vorher. Sollte eh alles Kopf stehen, ist das eine wunderbare Gelegenheit, einmal alles genau zu sortieren. Das gilt auch für Unternehmen:

Unternehmen nutzen den Begriff des „Strategischen Wendepunktes“, wenn die Unternehmensstrategie geändert wird, um eine andere Richtung einzuschlagen und das Risiko eines Rückgangs zu vermeiden. Und das Buzzword „New Work“ markiert einen gesamtgesellschaftlichen Wendepunkt, der dringend benötigt wird, denn noch immer steigt die Zahl der Arbeitsausfälle durch psychische Belastung dramatisch.

Das auch als kleine Erklärung des Namens dieses Magazins. Denn hier wird es in Beiträgen, Experteninterviews und Best-Practice-Beispielen immer wieder um die kleinen und großen Wendepunkte des Lebens und unserer Arbeitswelt gehen: um Gesundheit und Gesunderhaltung, Neuorientierung und Neupositionierung, um Weiterentwicklung und Motivation, um die neue Arbeitswelt, die Überwindung von Krisen und Konflikten und um ein erfülltes Leben.

Von freiwilliger und unfreiwilliger Veränderung

Aber nun zurück zum Einzelnen, denn auch jede Gesellschaft und jedes Unternehmen besteht aus Menschen, mit ihrer eigenen Geschichte und Vorstellungen und individuellen Bedürfnissen und auch individuellen Krisen. Der drastischste Fall ist oft der Tot eines geliebten Menschen. Gerade, wenn der Partner stirbt, ist das Bild, das man von seiner Zukunft im Kopf hatte auf einmal zerstört und lässt sich nicht wieder zusammensetzen. Vielleicht haben wir uns auch in vielen Dingen auf diesen Partner verlassen, ihm Aufgaben übergeben, die wir nun zu aller Trauer auch noch kurzerhand übernehmen müssen.

Die vier Phasen einer Krise

Die gleichen Phasen, die so eine Trauerkrise durchläuft, lassen sich auch auf andere unfreiwillige Veränderungen übertragen.

1.     Schockstarre oder die erste Leere

In der ersten Phase sind wir wie paralysiert. Der Verlust wirkt noch nicht real oder wir wollen das Problem noch leugnen. Diese Phase kann nur sehr kurz dauern, aber auch Wochen andauern.

2.     Reaktionsphase

Erst in der zweiten Phase rollen die Emotionen über uns, von Angst über Wut bis zu Schuldgefühlen oder unserer Suche nach einem Schuldigen. Schlafstörungen oder die Anfälligkeit für Infektionskrankheiten sind häufig eine Begleiterscheinung dieser Phase. Es ist wichtig, diese Emotionen anzunehmen und sie nicht zu verdrängen, sonst wird man beispielsweise anfällig, Süchte zu entwickeln.

3.     Zwischen Suchen und Finden

Trauern wir um einen Menschen, beginnen wir in dieser Phase oft, die Bedeutung des  verlorenen Menschen in unserem Leben zu definieren und diese Rollen in unserem Leben anders zu füllen. Bei anderen Krisen, kommt es zur Akzeptanz, vielleicht sogar dazu, einen Sinn in einem Schicksalsschlag zu sehen. Wir übernehmen wieder die Verantwortung und können wieder Freude und Erleichterung empfinden.

4.     Neuorientierung

Wir schließen neue Beziehungen, können Altes loslassen. Testen unsere neu   gewonnenen Einsichten und neue Gewohnheiten aus. Es kann ein wenig dauern bis diese Phase der Neuorientierung abgeschlossen ist und wir uns wirklich wohl und sicher in unserem neu geschaffenen Umfeld und Denken fühlen.

Durch die Midlife-Crisis muss jeder durch

Die Midlife-Crisis trifft jeden, daher könnte man sie vielleicht auch als unfreiwillige Veränderung einstufen. „Jeder von uns durchlebt sie auf seine eigene Art, in stärkerer oder schwächerer Intensität. Die Krise ist eine natürliche Krise in der Entwicklung eines jeden Menschen, und sie ist unvermeidbar“, stellte der amerikanische Psychologe Morris Stein fest. Wir fangen an unser Leben zu bilanzieren:

–       Was habe ich bisher in meinem Leben richtig gemacht?

–       Und was falsch?

–       Hatte ich mir mein Leben so vorgestellt?

–       Kommt da noch was?

–       Oder bleibt es jetzt so bis zum Rest meines Lebens?

–       Lohnt es sich, etwas zu verändern oder ist es zu spät?

Einige begnügen sich damit, alles beim Alten zu belassen. Sie sind mit ihrer Bilanz nicht wirklich zufrieden, aber sagen sich „das lohnt sich doch jetzt nicht mehr“. Immer mehr Menschen mit denen ich arbeite nutzen jedoch zum Glück die Chance, solche Fragen oder eine andere Lebenskrise als Sprungbrett in ein besseres und zufriedeneres Leben zu nutzen und sich an ihrem Wendepunkt neu zu orientieren.