Einfach hinschauen: Wie Sie Ihren Urlaub zur Selbstreflexion nutzen

Eine Kundin schrieb mir aus Bali, dass Sie jetzt endlich Zeit findet, die vielen Aufgaben zur Selbstreflexion zu Ihrem Thema einmal anzugehen. Den verdienten Urlaub dazu zu nutzen, um abzuschalten oder sich mal ausgiebig mit sich zu beschäftigen, fand ich eine tolle Idee. Es sei denn natürlich, man hat den ganzen Tag kleine Kinder um sich. Dann nutzen Sie statt der Ferienzeit lieber andere Momente, die Sie für sich haben.

Haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt: „Wann geht es mir eigentlich wirklich gut?“ Was sind das für Situationen in denen wir entspannt in den Tag oder in die Zukunft blicken? Meistens solche, in denen wir innerlich klar aufgestellt sind, gut für uns sorgen oder gesorgt haben und selbsttreu handeln. Das bedeutet, dass wir bei uns bleiben müssen, ohne dabei egoistisch zu sein. Wer frei und zufrieden durchs Leben ziehen möchte, braucht als erstes die bewusste Klärung mit sich selbst.

Zur Ruhe kommen – Ziele und Sehnsüchte klären – Position beziehen

In längeren Auszeiten sind wir meist bereitwilliger, den Anblick aufs Positive zu richten, und können entspannter die eigene Biografie selbstkritisch betrachten: Wenn wir merken, dass sich Dinge ungünstig wiederholen. Wenn wir merken, dass wir auf der Stelle treten. Wenn wir merken, dass die Ausreden nicht wirklich weiterhelfen und unser Umfeld allergisch auf uns reagiert, dann ist es höchste Eisenbahn, für diesen kritischen Blick auf das eigene Leben. Das hilft, an uns haftende Glaubenssätze zu hinterfragen. Und zu durchschauen, welche unbewussten Widerstände in uns wüten, die es aufzulösen gilt.

Notieren Sie aus Ihrem Gedächtnis alle gescheiterten Projekte und Vorhaben und schauen Sie, ob Sie Gemeinsamkeiten und Zusammenhänge erkennen können. Fragestellungen, die dabei helfen sind:

  • Welche Träume habe ich mit dem gescheiterten Projekt verbunden?
  • Welche Bilder tauchen auf?
  • Welche Ängste und Zweifel sind daraus entstanden?
  • Wie waren die Umstände zu Beginn des Projektes?
  • Wer hat Sie unterstützt?
  • Wer hat Kritik geäußert?
  • Was waren die Gründe des Scheiterns?

Notieren Sie, was Sie erkennen. Auch wenn unser Schmerzvermeidungsmechanismus uns vor erneuten negativen Gefühlen schützen möchte. Eine Gemeinsamkeit werden Sie feststellen: Sie selbst werden irgendetwas in irgendeiner Weise damit zu tun haben. Seien Sie daher achtsam mit Ihren Gedanken. Falls Ihre eigenen Erinnerungen nicht reichen, fragen Sie einen guten Freund oder eine Freundin nach Wendepunkten in Ihrem Leben. Verwenden Sie ausreichende Zeit mit Ihrer Erkenntnissammlung, damit Ihnen Zusammenhänge bewusst werden. Je mehr Sie über sich erfahren und erkennen, desto stabiler der Grundstein für ein zukünftiges selbsttreues Handeln.

Wie wir ticken

Dazu ein kleiner Einblick, wie unser Gehirn tickt: Wir speichern Vertrautes und Erlerntes ab und fügen neue Eindrücke in alte Muster, das heißt Dinge, die wir für wahr halten, werden nicht mehr hinterfragt. Das Gehirn setzt hier lieber auf Effizienz. Wir haben bestimmte Wahrheiten und Annahmen als unumstößlich gelernt. Die Psychotherapeutin Michaela Muthig nennt es in ihrem Buch den kleinen Saboteur in uns. Das bedeutet, entwickeln wir im Laufe unseres Lebens ein positives Selbstbild, werden wir vermutlich unsere Projekte zielstrebig, selbstbewusst und eigenverantwortlich umsetzen können. Solange wir gelernt haben, dass die gescheiterten Projekte oder Karriere- und Beziehungsversuche an irgendetwas oder irgendwem oder unserer Herkunft „schuld“ ist, übernehmen wir nicht die Verantwortung, entscheiden nicht oder sabotieren uns selbst. Solange wir bestimmte Annahmen als Tatsachen hinnehmen und nicht anzweifeln, kommen wir in unseren Selbsterkenntnissen nicht weiter.

Die Dinge einmal anders betrachten

Probieren Sie deshalb unbedingt einen Perspektivenwechsel! Machen Sie Dinge bewusst anders und notieren Sie, was sich verändert. Wo steht denn eigentlich geschrieben, dass wir schnell sein oder sparen müssen oder uns an andere Vorgaben halten sollten, nur weil „man das halt so macht“. Schauen Sie, was von allen Grundannahmen und Glaubenssätzen überhaupt noch zu Ihnen passt. Machen Sie klar Schiff und stellen Sie Ihre eigenen Regeln auf. Die dann allerdings verbindlich. Wer neue Wege gehen möchte, muss Alltagsroutinen durchbrechen und Gewohnheiten bewusst verändern. Gesellschaftspolitische Normen und Regeln sollten dabei aber natürlich eingehalten werden. Ihre eigenen Regeln und Ihre Klarheit verhelfen Ihnen ganz automatisch zu einem selbstbestimmten Leben. Ein Leben, das zu Ihnen passt, wie ein ein gutsitzendes Kleid – maßgeschneidert.

Das Zwiebelmodell unserer Persönlichkeit

Werte, Kompetenzen, Motivatoren, Glaubenssätze und deren aktuelle Einflüsse, Prägung, Erziehung und Konditionierung bilden das Fundament unserer Persönlichkeit. Wenn einer Ihrer Anteile, Ihre Träume zum Scheitern bringen will, geschieht das in der Annahme, dass das gut für Sie ist. Sie müssen sich selbst also eines anderen belehren. Auch widersprüchlich Ziele und Motivatoren können uns verklären. Die Auseinandersetzung mit uns selbst und der Klarheit über unsere Prioritäten ist daher das zentrale Element unserer Entwicklung und Haltung uns und dem Leben gegenüber. Nutzen Sie daher Ihren Urlaub nicht nur für irgendein gutes Buch, sondern das Buch Ihrer eigenen Biografie.

Buchtipp:

Michaela Muthig, Der kleine Saboteur in uns, München 2019.