The texture of dark wood.

Vom Umgang mit Verlusten: Was wir verlieren

Verlust von Freunden, Arbeit, Haustieren oder Familienmitgliedern haben mich mein Leben von klein auf begleitet, aber ich konnte mich nie daran gewöhnen. Geht das überhaupt? Auch wenn ich gezwungen werde,  mich mit diesen betrüblichen Tatsachen auseinanderzusetzen, so muss ich sie nicht mögen.

Dennoch gibt es ein paar Erfahrungen im Umgang mit diesem Thema, auf die man zurückgreifen kann, wenn das Schicksal wieder vor der Türe steht. Obwohl wir wissen, dass die Zeit alle Wunden heilt, ist es der unsägliche Schmerz, den es zu verarbeiten gilt.

Wie kann man Verlusten begegnen?

Wie bei allen Menschen auf der Welt sind auch bei mir Freundschaften durch Umzug, Jobwechsel, Streit oder einfach verschiedene Interessenausrichtungen zerbrochen oder aufgekündigt worden. Der Verlust geliebter, nahestehender Dinge und Menschen ist in jedem Fall sehr einschneidend. Durch diese Notwendigkeit, mit dem Schmerz zurecht zu kommen, sind einige kreative Wege entstanden, die ich gerne mit Euch teilen möchte.

Reaktionen und Umstände nach Verlusten können vielen verschiedene Gesichter haben. Manche Menschen sind starr vor Entsetzen, andere brüllen ihren Schmerz heraus. Einige kommen mit dem Älterwerden gut zurecht, andere bekommen darüber Depressionen. So unterschiedlich der Mensch und auch die Lebensführung eines Einzelnen auch sein mag- eines ist gleich: Der Verlust oder Abschied tut erst mal weh. Er verläuft in verschiedenen Phasen und bietet fast immer auch die Chance für einen Neuanfang.

Trauerphasen nach Verena Kast

  • Nicht-Wahrhaben-Wollen
  • Aufbrechende Emotion
  • suchen, finden, sich trennen
  • Neuer Selbst- und Weltbezug

Was man selbst tun kann?

Zuerst sollte man sehen, welche Ressourcen vorhanden sind, um den Heilungsprozess einzuleiten. Die Meisten von uns trauern allein. Tatsächlich gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die beim Trauern oder betrauern helfen können. Auch Selbsthilfen, die „ frisch Getrennte“ nutzen können. Das Wichtigste dabei ist, den Verlust auch beim Namen zu nennen. Um der Realität besser begegnen zu können, ist es gut auch die richtigen Worte zu sprechen – klar und deutlich.

Klarheit

Klarheit über sich selbst und die Umwelt ermöglicht einem, den Faden wieder aufzunehmen. Eine sogenannt win-win Situation. Hier einige Beispiele zur Verdeutlichung:

  • „Ich habe meine Arbeit verloren“- Besser: „Ich bin betriebsbedingt gekündigt worden oder kann krankheitsbedingt meiner Arbeit nicht mehr nachgehen.“
  • „Wir haben uns auseinandergelebt und deshalb gemeinsam beschlossen die Freundschaft /Partnerschaft aufzulösen.“ Besser: „Meine Interessen sind komplett andere, mir war stink langweilig, das wollte ich so nicht mehr.“
  • „Sie ist von uns gegangen“- Besser: „Sie ist gestorben“.
  • Mein Onkel ist im Krieg gefallen- Besser: „Mein Onkel ist im Krieg getötet worden.“

Jedes klare Aussprechen hilft, den Verlust ein Stück besser zu begreifen und signalisiert unserem Gegenüber, dass man bereit ist, sich auf die Trauer ansprechen zu lassen. So gut wie immer ist man bei Verlusten immer in einem energetischen Minus. Als Betroffener ist man bedürftig nach Liebe  Zuwendung, Pflege, Wohlwollen, um nur einige Bedürfnisse anzusprechen.

Viele trauen sich nicht diese Gefühle eindeutig zu signalisieren, so kommt es häufig zu Missverständnissen. Daher empfiehlt sich am besten eine Auszeit, eine Pause zum Durchatmen, um innezuhalten und seine Bedürfnisse überhaupt klar artikulieren zu können.

Andenken neues Antlitz verleihen

 Erinnern hilft, den Verlust besser zu verarbeiten. So hat man die Möglichkeit klarzuziehen, was einem der Verlust bedeutet hat. Die gemeinsame vergangene Geschichte muss neu integriert werden – nämlich als ein Teil der Vergangenheit.

Auf einem neuen Platz bleibt sie verwahrt.

Manche erzählen Geschichten ihres verstorbenen Partners immer und immer wieder, bis sie diesen neuen Platz gefunden haben. Für die Angehörigen ist es sehr schwer, das wieder und wieder zu hören. Es ist besser, die Betroffenen zu motivieren, an Selbsthilfegruppen, Trauer-Gruppen teilzunehmen oder psychologische Hilfe aufzusuchen, denn die Seele schreit nach Hilfe.

Dem einen helfen Religionsgemeinschaften, dem anderen Rituale, um die Seele wieder einigermaßen ins Gleichgewicht zu bekommen. Folgende Übungen und Anleitungen können dabei erfolgreich unterstützen:

Übungen:

  • Bewegung und Abreagieren
  • Spazierengehen als Wegbegleiter, um den Kopf wieder frei zu bekommen
  • Sport treiben generell
  • Wer stärkere Bewegung braucht, darf auch gerne Holzhaken, um die Wut gut zu entlüften.
  • Gezielte Atemübungen
  • Strukturierter Arbeitsalltag
  • Entspannung, insbesondere die progressive Muskelentspannung nach Jacobson, autogenes Training, Meditation)
  • Gedankenstopp gegen Grübeleien

Stärkung des eigenen Selbstwertgefühls

 Das Thema Wahrnehmung spielt hier eine wesentliche Rolle. Wir nehmen das Gestern im Fühlen und Handeln nicht von heute wahr. Wir nehmen durch die Brille von gestern das Heute verzerrt wahr. Die meisten Strategien, um sich bewusst besser zu fühlen entstehen in der Kindheit, die uns dann das ganze Leben begleiten. Und wer für die Entstehung eines gesunden Selbstwertgefühls entscheidenden Zeit nicht von einer Bezugsperson entsprechend wahrgenommen wurde, konnte das Gefühl , wertvoll zu sein nicht entwickeln. Es geht nur darum, sich das klarzumachen und „nachzubessern“.

Es geht darum, durch eine positive „Einstellungsänderung“ dem Geschehenen eine neue Richtung zuzuweisen, um auch wieder die Aufmerksamkeiten auf das Schöne lenken zu können.

Impuls:

Mache es Dir bequem und schließe die Augen. Dann erzähle Dir selbst eine Minute lang, was Du an Dir magst, was Dir wirklich an Dir gefällt. Gerne kurz und knapp in Substantiven-  deine Eigenschaften, Fertigkeiten oder Begabungen.

Dabei gilt es darum, niemanden anderen zu befragen – sondern Dir bewusst zu machen, was wirklich in Dir steckt. Bitte wiederhole diese Übung einen Monat lang, möglichst zur gleichen Zeit, damit dies auch schnell seine Wirkung zeigen kann.

 „Wer nie gelitten hat, weiß auch nicht, wie man tröstet.“ (Dag Hammerskjöld)

 Risiken und Lösungen

 Ein Verlusterlebnis ist eine Lebenskrise und birgt daher auch Gefahren. Sie kann zerstörerisch verlaufen oder als Reifungs- und Wachstumsprozess. Wie die Bewältigung gelingt, hängt auch von manchen Risikofaktoren und Fähigkeiten des Betroffenen ab. Es ist daher angebracht, in manchen Fällen ein waches Auge auf den Menschen, der gerade einen Verlust erlebt hat, zu haben.

Wollen Betroffene auch nach langer Zeit der Trauer noch immer nicht am Leben teilnehmen, Störungen und Krankheiten entwickeln, sollte dringend professionelle Hilfe aufgesucht werden. Nur Fachleute können beurteilen, wo der Betroffene steht. Da es sehr schwierig ist, auf die Schnelle einem guten Therapeuten zu finden, ist es ratsam, dass Angehörige sich rechtzeitig darum kümmern, den Trauernden auf eine Warteliste zu setzen. Ich selbst spreche auch immer wieder gerne die Empfehlung für den Trauart e.V. in Essen aus. Nähere Informationen unter: www.trauart.de

Neue Wege gehen: Vom Gelingen des Abschiedes

 Es gibt eine Tatsache, die wir nicht wegdiskutieren können. Abschiede tun weh. Die Verarbeitung des Schmerzes dauert lange; wie lange hängt von dem jeweiligen Betroffenen ab. Es gibt kein Richtmaß dazu. In der Tat gilt, dass Routine, das Selbstverständliche im Leben, mit der Zeit jedes Engagement, jedes Gefühl einschlafen lässt. Das bedeutet im Klartext: Alles, was diese gewohnten Abläufe erschüttert nützt.

Ein Verlust kann daher auch neue Sichtweisen bringen – so merkwürdig das jetzt klingen mag. In der erzwungenen Krise liegt die Notwendigkeit, das gewohnte Leben zu prüfen.

Nach der Verwirrung probieren wir uns aus, um das Ungewohnte wieder neu zu strukturieren. Dabei ist es wichtig, sich von dem Gefühl des Neuen leiten zu lassen, denn Veränderung geschieht durch Erfahrung, nicht Grübeln. Es ist daher wie immer, wenn wir Veränderung anstreben: Es reicht nicht, es zu verstehen – man muss es auch tun. Als Anfang reicht in jedem Fall der erste Schritt zur Krisenbewältigung.

„Tun statt Denken“

Wichtig bei der Verlustbewältigung, um den Heilungsprozess zu fördern, sind die verschüttenden Ressourcen, die wir alle in uns tragen, zu reaktivieren. In der Psychologie sind Ressourcen das innere Potenzial: alle unsere Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse, Erfahrungen, Talente, Neigungen und Stärken. Diese dienen dazu, anders auf sich zu schauen, um die persönlichen, positiven Selbstheilungskräften zu aktivieren. „Verschüttete“ Ressourcen müssen also neu entdeckt werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Groll unser Innenleben dauerhaft vergiftet. Ein zügiger, positiver Blickwinkel fördert den Prozess des Neubeginns.

Seid also gut zu Euch. Tut alles was euch gut tut. Denn die Sinne anzuregen ist die beste Medizin, um von Grübeleien abzulenken und wieder mit Freude dem Alltag zu begegnen. Und nehmt euch die Zeit, die Ihr braucht. Jeder trauert anders.