Ich bin so gerne in der Natur. Ich fühle die Stille, aber auch die Bewegung und staune mich immer wieder über die unfassbare Schönheit vor meinen Augen. Ich empfinde Freude über Regen, der nach langen Hitzeperioden die Umgebung endlich wieder abkühlt – ein Segen und kein Grund sich über „schlechtes“ Wetter zu ärgern.
Annehmen, was ist. Unsere Wahrnehmung schärfen
Die täglichen Wetteraussichten liegen nicht in unserer Hand, so wie mit den Gezeiten. Die Natur zeigt uns deutlich, wie absurd die Annahme von der absoluten Kontrolle über unser Leben ist. Wer lernt, loszulassen, kommt im Sommer in den Genuss von lauen Sommernächten, freut sich im Herbst über die Farbenpracht der Wälder, im Winter über die Kargheit, die vom Schnee zugedeckt wird und im Frühling über das Erwachen der Natur. Alles zu seiner Zeit. Das Gleich gilt für unser Leben. Wenn wir es schaffen, diese Haltung und Akzeptanz in unser Leben zu integrieren, dann kommen wir uns näher und fühlen automatisch, was passt und was nicht. Wir gehen ja auch nicht im Winter im Badesee schwimmen. Die Einfachheit der Natur gibt den Takt an. Wir müssen ihn nur erkennen, sehen und achtsam in unser Leben integrieren. Wer nach seinem Empfinden und Bedürfnissen handelt, bringt sich in einen Zustand der Zufriedenheit. Dabei hilft natürlich die Nähe zur Natur.
Ab in den Wald, das Kind muss an die frische Luft!
Als Kind des Ruhrgebietes, musste ich regelmäßig mit meinen Eltern Waldspaziergänge bestehen. Wegen der guten frischen Luft. Damals Anfang der 70er war es an der Tagesordnung, dass Abgase der Stahlindustrie in die Luft strömten. Dazu haben meine Eltern unbewusst ein sehr gutes Ausgleichsprogramm gefahren: raus aus der Stadt, rein in die Natur. Damit ich nicht sofort streikte, haben wir dabei, quasi als Entertainmentprogramm und Jahreszeiten bedingt, Beeren, Pilze, Nüsse und andere Waldprodukte gesammelt. Seitdem weiß ich, dass der Wald ein reicher Ort an Naturschätzen ist. Bis heute hat der Wald eine beruhigende Art auf mich und damit bin ich nicht alleine: Der Duft, die Stille, die Vielfalt, die vielen kleine Tiere, einfach ein Gesamtkonzept, das so wunderbar stimmig ist. Und dann diese herrlich frische Luft. Kein Wunder also, dass mir dieses unliebsame Ritual meiner Kindheit, dann doch noch ganz wichtig geworden ist.
Die heilende Wirkung der Natur
Neben vielen positiven, pflanzlichen Wirkstoffen, die wir als Heilkräfte kennen, ist es das Walderlebnis selbst, das positiv auf uns einwirkt. Ich weiß, gar nicht mehr genau, wann ich auf den Förster Peter Wohlleben aufmerksam wurde. Er beschrieb ein ähnliches Phänomen, wie ich es nach meinem Burnout erlebt hatte: Die Natur hat ihn geheilt und seine daraus neu gewonnenen Erkenntnisse haben seinem Leben eine neue Wende gegeben. Darin fühlte ich mich bestätigt und denke, dass genau da ein wichtiger gesundheitlicher Ansatz liegt.
Es sind die natürlichen und kleinen Dinge, die uns gut tun. Sehen, was ist. Fühlen, was uns gut tut und dabei sein
So beschreibt Peter Wohlleben eindrucksvoll in seinem Buch „Das geheime Leben der Bäume“ wie sich das Sozialverhalten von Bäumen auf ihr Wachstum und ihre Heilkraft auswirkt. Wie Menschen können auch Bäume miteinander kommunizieren, haben Empfindungen, Gefühle und ein Gedächtnis. Bäume sind soziale Wesen. Sie helfen einander, teilen Nahrung, kommunizieren bei drohender Gefahr mit den gleichen Werten: Gemeinsam geht es besser. Vielleicht mag es Peter Wohlleben daher auch so eine Herzensangelegenheit gewesen sein, Menschen der Natur näher zu bringen und sein Wissen weiterzugeben. Mich hat diese Art der Wissensvermittlung auf jeden Fall schwer beeindruckt und überlege gerade in seiner Waldakademie eine Fortbildung zu machen. Auch wenn ich Herrn Wohlleben noch nicht persönlich kenne, achte ich, dass er da einen ganz neuen Ansatz geschaffen hat, der mittlerweile äußerst populär geworden ist.
Aufmerksamkeit ins richtige Lot bringen
Vielleicht ist das der Gegentrend zu einer anderen Entwicklung, nämlich der, dass wir immer mehr Zeit online verbringen. Welche Folgen das auf unsere mentale Gesundheit hat können wir noch nicht abschätzen. Nach 11 Jahren der Einführung des Smartphones besitzen 2,4 Milliarden Menschen ein Smartphone. Das spiegelt definitiv den globalen Trend zur digitalen Gesellschaft wieder. (aus Wirtschaftspsyochologie Aktuell, 04/2019).
Das Anforderungsprofil an uns Menschen in Hinblick auf Flexibilität, Mobilität und Leistung hat sich durch diesen Trend komplett verändert. Probleme, die durch diese Schnelllebigkeit entstehen, sind vorprogrammiert und bereits deutlich erkennbar. Der durchschnittliche Smartphone Nutzer verbringt pro Tag etwas 2,5 Stunden mit seinem Gerät, das heißt wir verbringen wertvolle Zeit unseres Lebens mit vielen digitalen Applikationen. Trotz dieses Wissens fällt es uns Menschen schwer, uns davon zu lösen, um wertvollere Dinge zu unternehmen. Die Gründe dabei sind eine gering ausgeprägte Selbstregulation und natürlich ein ausgeklügeltes System der Erfinder, User lange auf den Plattformen zu halten. Ich bin natürlich auch freudige Smartphone-Nutzerin, aber mittlerweile doch mit bedächtigem Umgang. Am Wochenende liegt es zu Hause. Eine bewusst gewählte Selbstregulation, die sich auf unsere Aufmerksamkeitsdefizit positiv auswirkt.
Ein Plädoyer für die Natur
Das Gute liegt bei den meisten vor der Nase, zumindest nur ein paar Schritte hinter dem Smartphone. Bio als Trend oder bewusster Lebensstil. Die Gesellschaft und auch die Wissenschaft beschäftigt sich gerade mit diesen Themen. Alleine in grüneren Stadtteilen zu leben, wirkt sich Studien zufolge positiv nicht nur auf unser Wohlbefinden, sondern auch auf unsere Sterblichkeit aus. Ab 200 bis 300 Minuten pro Woche in der Natur zeigten sich in der Studie die größten Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden. Dabei reichte es bei manchen schon, wenn sie die Mittagspause draußen im Park verbrachten. Es muss also nicht gleich immer ein langer Waldspaziergang sein oder ein „Waldbad“ wie es jetzt heißt. In Japan sind sie noch ein Stück weiter, da gilt das Waldbaden als Medizin. Japanische Untersuchungen bestätigen, dass sich Blutzdruck und Pulsfrequenz normalisieren, Angst und Stress abnehmen und die Konzentrationsfähigkeit steigt. Dabei muss es nicht immer nur der Wald sein, auch Wasser und das Meer mit seinen Gezeiten tun dem Menschen gut.
Ich denke, wir tragen eine unbewusste Sehnsucht nach Normalität und Einfachheit in uns. Daher ist genau da der Hebel anzusetzen und für sich zu überlegen: Was brauche ich wirklich, um alte Gewohnheiten und Dinge, sowie Sichtweisen zu überdenken? Nutzen Sie die Natur, sie weißt den Weg. kostet nichts und ist trotzdem wohltuend gut. In meinen Wendepunkt-Seminaren beziehe ich wichtige Aspekte des Naturerlebens in meine Seminararbeit mit ein. Sie finden immer an ausgewählten Plätzen in einem natürlichen Lebensraum statt. Mir ist es wichtig, neben der Theorievermittlung auch eine intensives Erleben in der Natur zu schaffen. Mein Anliegen, gehen Sie so oft Sie können ins Grüne oder ins Blaue. Es zahlt sich aus.