Resilienztraining

WM und Resilienz: Starke Nerven für alles, was kommt

Es ist WM-Zeit. Für wahre Fußball-Interessierte die Phase des Mitfieberns, des Daumendrückens, der Emotionen. Wir verfallen in engagiertes Co-Coaching, verabreden uns mit Freunden und genießen Momente des Jubels oder wälzen uns in der traurigen Gewissheit, dass die auserwählte Mannschaft doch nicht erfolgreich war… Echte Fans brauchen in dieser Zeit starke Nerven. Im Vergleich zu dem Druck, dem die Spieler auf dem Feld ausgesetzt sind, ist dieses Auf und Ab der Gefühle jedoch ein Spaziergang.

Wie machen das eigentlich die Stars auf dem Platz? Wie schaffen sie es dem psychischen Druck standzuhalten? Mit Niederlage, Sieg, Enttäuschung oder einem Totalversagen umzugehen – wie jüngst der doch sehr bemitleidenswerte deutsche Torwart Loris Karius, der durch zwei schlimme Torwartfehler den FC Liverpool wahrscheinlich um den Champions-League-Sieg brachte? Nach dem Spiel ging es mit dem Druck dann weiter: Er war enormer Hetze und überheblichen Kommentaren auf allen Kanälen ausgesetzt. An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich im Nachgang herausstellte, dass seine Konzentrationsaussetzer ihre Ursache in einer durch ein Foulspiel erlittene Gehirnerschütterung im Spiel zumindest begünstigt gewesen sein könnte. Egal, Karius wird sich mit seinen Blackouts sicher noch länger auseinandersetzen müssen. Ich wünsche ihm aber, dass er sich davon wieder erholt und ihn das in zukünftigen Spielen nicht mehr verfolgt. Denn das macht psychische Widerstandsfähigkeit aus.

Sind Sie resilient oder besteht Nachholbedarf?

  • Aber was steckt hinter dieser psychischen Widerstandsfähigkeit, auch Resilienz genannt? Und wie kann man sie fördern, um großen Herausforderungen – im sportlichen, beruflichen oder privaten Umfeld – standzuhalten?
  • Warum ist Resilienz so wichtig für uns?
  • Und warum sind manche darin besser als andere?

Ob wir stresssensibel oder stressrobust sind, liegt zum Teil in unseren Genen und wird durch Erziehung, unsere kulturelle Prägung, unser Wertesystem und durch unsere Kompetenzen weiter beeinflusst. Die Mutter der Resilienzforschung, die US-amerikanische Psychologin Emmy Werner, begleitete mit ihrem Team 40 Jahre lang 700 Kinder auf der hawaiianischen Insel Kauai. 210 der Kinder wuchsen unter schwierigen Bedingungen auf, dennoch entwickelten sich ein Drittel der Kinder erstaunlich positiv. Sie verfügten über eine besondere innere Stärke, um die negativen Einflussfaktoren ihres Umfeldes zu mildern. Ihre innere Stabilität zeichnete sich dadurch aus, dass die Kinder emotionale Beziehungen zu Personen außerhalb der Familie suchten, früh Leistungsanforderungen erfüllten, Verantwortung übernahmen und in der Lage waren, offen auf andere zuzugehen.

Was lernen wir aus dieser Studie? Vor allem, dass der Aufbau von psychischer Widerstandsfähigkeit in der Auseinandersetzung mit der Umwelt stattfindet. Resilienz ist also keine stabile Größe, sondern eher eine elastische Widerstandsfähigkeit. Wer allen Widerständen aus dem Weg geht, kann sie auch nicht auf- und ausbauen.

Resilienz wirkt sich positiv auf die körperliche Gesundheit aus

Bisherige Forschungsergebnisse weisen außerdem darauf hin, dass Menschen mit höherer Resilienz weniger körperliche Beschwerden haben und sich schneller von Krankheiten erholen. Außerdem sind sie zufriedener. Und wollen wir das nicht alle? Was also müssen wir tun?

Faktoren, die zu einer guten psychischen Widerstandskraft beitragen:

  1.  Soziale Unterstützung in herausfordernden Phasen durch praktische Hilfeleistung oder emotional-psychologische Begleitung
  2.  Selbstwirksamkeitserwartung bzw. eigenes Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten. Die entwickeln wir jedoch nur, wenn wir auch Selbstwirksamkeitserfahrungen machen, das heißt, wenn wir Situationen meistern, auf die wir uns in späteren Situationen zurückbesinnen können.
  3.  Positive Emotionen: Optimismus und die Tendenz zur aktiven Problemlösung.
  4. Wer klare Ziele vor Augen hat und aktiv an ihrer Umsetzung arbeitet, kann sich auch schnell wieder nach ihnen ausrichten, auch wenn der Weg sich vielleicht ändert.

Diese einzelnen Bausteine lassen sich gezielt bearbeiten und der Umgang mit ihnen in einzelnen Situationen trainieren. Das braucht Zeit, denn Resilienztraining funktioniert nicht nach Schema F. Es gibt auch kein Rezeptbuch und gehört deshalb in die Hände von Profis, die die Situation des Menschen und die Faktoren, die zur Krise geführt haben, analysieren können.

Unternehmen oder Vereine können dazu beitragen, die Resilienz ihrer Mitarbeiter oder Spieler auszubauen und so für eine menschengerechte Arbeitsgestaltung sorgen und damit ihre Mitarbeitergesundheit fördern. Das bedeutet am Ende auch: Weniger gesundheitliche Ausfälle und dadurch niedrigere Kosten.

Wie das geht?

  • Mögliche frühe Störfaktoren sichten und Warnsignale für eine Krise ernst nehmen,
  • Störfaktoren abpuffern und Lösungen finden,
  • wenn nötig, akutes Krisenmanagement betreiben, das bedeutet, trotz Krise weiter zu funktionieren,
  • nach einer Störung möglichst schnell zu der alten Form zurückfinden, das heißt, Handlungsfähigkeiten zu erarbeiten, auf die man auch in der nächsten Krise zurückgreifen kann,
  • die Learnings aus einer Krise auflisten, um zukünftige Krisen zu vermeiden.

Das ist jedenfalls das, was ich mit Menschen und Unternehmen trainiere und ich bin der Überzeugung, dass das auch für jeden Fußballspieler, Trainer und Manager mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Dem BVB wünsche ich das mit maximaler Unterstützung; das ist meine persönliche Herzensangelegenheit, der Nationalmannschaft aber natürlich auch.