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Gute Führung in Veränderungsprozessen

Unser Gehirn lehnt Veränderungen grundsätzlich erstmal kategorisch ab. Wir sind Gewohnheitstiere und die Macht der Gewohnheit bestimmt unseren Alltag. Das ist nicht nur schlecht, denn diese Abläufe verhelfen uns zu mehr Energie für wichtige Aufgaben, aber es geschieht in der Regel unbewusst und da liegt unser Hebel, Veränderungen wirklich anzustoßen und umzusetzen.

Veränderungen brauchen Raum, Zeit und Aufmerksamkeit

Wir müssen uns unsere Routinen und Komfortzone bewusst machen. Wollen wir neue Routinen etablieren, ist immer wieder von Willenskraft die Rede. Aber was bedeutet es eigentlich konkret, eine dauerhafte und nachhaltige Veränderung herbeizuführen? Wir brauchen dafür Kraft, die Bereitschaft, umzudenken und müssen eine Frustrationstoleranz aufbauen für die Momente, in denen etwas nicht auf Anhieb klappt. Veränderung ist ein Prozess, der nicht gradlinig verläuft. Er ist kurvenreich und von vielen Rückschlägen geprägt. Akzeptanz, Zuversicht und eine konkrete Zielsetzung sind daher wichtige Bausteine, um am Ende auch an das gesteckte Ziel zu kommen: die Neuausrichtung!

„Command and Order“ oder „Agile Führung“

Was bedeutet das für Unternehmen, die sich heute immer häufiger neu ausrichten müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben? Neuerung bedeutet Innovation, aber nicht jeder Veränderungskurs von Unternehmen wird auch immer so positiv wahr- und aufgenommen. Es kommt zu Frust, Angst und Demotivation auf Seiten der Mitarbeiter.

Sicher nicht bei allen, denn Menschen sind nicht alle gleich: Da sind die Menschen, deren Neugierde grundsätzlich hoch ausgeprägt ist. Sie freuen sich auf das, was da kommen mag: neue Aufgaben, Visionen und Richtungen; vielleicht sogar eine neue Kommunikationskultur  oder ein verbessertes Teamklima. Für die anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird eine Neuerung dagegen sorgenvoll betrachtet, weil sie nicht einschätzen können, was wirklich auf sie zukommen wird. Darum ist es um so wichtiger für jede Führungskraft, neben den Führungsaufgaben der strategischen Planung, die Mitarbeiter mit ihren Bedürfnissen nicht zu vergessen, denn sie müssen im neuen Umfeld Heimat finden.

Ganz entscheidend ist dabei der ausgeübte Führungsstil: Teamführung im agilen Kontext zielt darauf ab, sich als Führungskraft überflüssig zu machen. Die eigentliche Führungsaufgabe verlagert sich auf die Hilfe zur Selbsthilfe. Agile Führung ist natürlich nur eine Form der Umsetzung im Führungsmanagement und der Personalführung, aber eine sehr effiziente, wie ich bisher beobachten konnte, vor allem in Veränderungsprozessen.

Der Rhythmus der Veränderung

Veränderungen scheinen immer nach einer bestimmten Rhythmik stattzufinden. Dabei durchläuft jeder Mitarbeiter und auch die betroffenen Führungskräfte sieben Phasen. Es gibt keine Ausnahmen, jede einzelne Phase wird dabei durchlaufen und durch bestimmten Charakteristiken und Herausforderungen geprägt.

Quelle: https://www.energie-durch-entwicklung.com/vuca-komplexitaet-im-change-management/change-kurve-final/

Gut starten

Wollen Sie als Führungskraft selbst einen Wandel herbeiführen, ist es notwendig, dass das Projekt bereits zu Beginn so viele Unterstützer wie möglich hat. Daher gilt zu Beginn, dass der Bedarf für und die Dringlichkeit des Projekts sehr deutlich kommuniziert und verstanden werden.

Gleichen Informationsstatus schaffen, viel kommunizieren: Wird eine Veränderung angekündigt, so geht dies schnell mit Gerüchten und Annahmen einher. Hier muss so intensiv und viel wie möglich kommuniziert werden. Warum wird das Projekt durchgeführt? Welches Ziel verfolgt das Projekt? Welche Maßnahmen beinhaltet das Projekt? Welche sind die nächsten Schritte des Projekts?

Der Schock

Jede Veränderung wird erst einmal als Schock wahrgenommen – mal als großer, mal als kleiner. Die Veränderung kommt trotz häufig vorhandener negativer Vorahnung dennoch in der Regel überraschend. Denn jede kommunizierte Veränderung gibt Gewissheit darüber, dass sich etwas ändert bzw. ändern muss. Die Schwere des Schocks ist davon abhängig, welche Auswirkungen eine Veränderung mit sich bringt und wie ausgeprägt die individuelle Fähigkeit ist, mit Veränderungen umzugehen, wie hoch die eigene Neugierde ist. Dabei kommen Menschen mit geringer Ordnungsausprägung und hoher Flexibilität besser mit der Veränderungssituation zu recht.

Die Ankündigung, dass ein Unternehmensstandort geschlossen wird und Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren, wird in der Regel einen größeren Schock auslösen als die Verkündung, dass einige Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz in ein anderes Büro im gleichen Gebäude verlegen werden. Aber selbst diese vermeintlich unbedeutende Veränderung des Schreibtischwechsels kann für einige Mitarbeiter zu großer Unruhe führen.

Verneinung oder Akzeptanzproblem

In der nächsten Phase beobachten wir eine ablehnende Haltung, kombiniert mit der Verneinung des Geschehens. In dieser Phase werden Sie häufig Sätze wie „Das kann doch gar nicht sein!“, „Das glaube ich nicht!“ oder „Das können die doch nicht machen! Das mache ich nicht mit!“ hören. Alle drücken die Ablehnung gegenüber der Veränderung und das Nicht-wahrhaben-wollen aus. Diese Verneinung ist eine völlig typische Reaktion; und gibt erste Klarheit darüber, dass die Komfortzone verlassen werden muss.

Einsicht oder „Die große Bedeutung“ von „Warum?“

In der Phase der Einsicht werden nach der Ankündigung der Veränderung Gründe erläutert, ergänzende Informationen bekanntgegeben. Entscheider stehen in der Regel für Fragen zur Verfügung.

Gehen Sie konstruktiv und wertschätzend mit Sorgen und Einwänden um: Die betroffenen Personen werden zu Beginn eine Reihe an Gründen anbringen, warum das Projekt nicht funktionieren kann, nicht notwendig ist, keinen Erfolg zeigen wird etc. Wichtig ist an dieser Stelle, zu zeigen, dass man die Sorgen und Einwände ernst nimmt. Auch wenn sie unbegründet sind, so beschäftigen sie die Person ja offensichtlich derzeit und entziehen ihr Energie, die sie für andere Tätigkeiten aufbringen sollte. Eine Reaktion à la „Nun stellen Sie sich mal nicht so an!“ oder „Das ist nun wirklich nicht so schlimm, das habe ich selbst schon ganz häufig durchgestanden.“ werden eher das Gegenteil der gewünschten Reaktion erzeugen. Nehmen Sie die Sorgen ernst, und zeigen Sie der Person, dass Sie sie wichtig nehmen. Dann wird sie Ihnen auch eher folgen, wenn sie erläutern, warum gewissen Ängste unbegründet sind. Und selbst wenn die Sorgen begründet sind (z.B. bei drohendem Arbeitsplatzabbau): ein Mitarbeiter, der vor lauter Sorge unfähig ist zu handeln, bringt niemandem etwas. Sie werden ihm die Sorgen vielleicht nicht nehmen können – aber Sie können ihm zusichern, dass man für alle Mitarbeiter eine faire Lösung finden wird und dass Sie sich persönlich für ihn verantwortlich fühlen.

Differenzieren Sie zwischen begründeten und unbegründeten Einwänden: Nicht alle vorgetragenen Sorgen und Einwände sind unbegründet. Gerade in einem Krisenprojekt, wenn der Handlungsdruck sehr groß ist, blieb häufig nicht genügend Zeit, um alle Details zu überprüfen. Differenzieren Sie daher sehr genau und prüfen sie, ob Ihnen Einwände vorgetragen werden, die gerechtfertigt sind, ggf. haben sie Einfluss auf den Verlauf des Projekts und tragen dazu bei, dass das Projekt erfolgreich abgeschlossen wird. Darüber hinaus vermeiden Sie einen anderen Effekt: wenn Sie begründete Einwände nicht ernst nehmen, werden Ihre Mitarbeiter ganz sicher auch sonst nicht mehr mit guten Ideen kommen. Dabei ist es wichtig, den Blick auf gemeinsame Ziele zu richten.

Die Mitarbeiter können die Gründe für die Entscheidung im Idealfall nachvollziehen und erhalten Antworten auf die Frage nach dem „Warum“. Dies führt zu einer rationalen Einsicht der Veränderung – d.h. auf rationaler Ebene wird die Entscheidung zur Veränderung akzeptiert. Dieses Verständnis führt zu einer gesteigerten Wahrnehmung der eigenen Kompetenz.

Auf emotionaler Ebene ist die Entscheidung jedoch noch nicht akzeptiert worden. Daher hören Sie nun typischerweise Sätze wie „Die Entscheidung kann ich ja nachvollziehen, aber funktionieren wird es nicht.“, „Ich verstehe ja, dass wir Personal abbauen müssen, aber in unserer Abteilung ist das unmöglich.“ oder „Klar ist so ein Projekt sinnvoll, aber hat man sich auch mal überlegt, wie das bei uns gemacht werden soll?“ Daher nennen wir diese Phase auch die „Ja, aber…“-Phase.

Akzeptanz oder Umsetzung

Wer diese Phase erreicht hat, hat die Veränderung auch emotional akzeptiert. Das heißt insbesondere, dass die eigene Involviertheit und die Notwendigkeit der eigenen Veränderungen verstanden und akzeptiert wurden. Es sind jetzt nicht mehr nur „die anderen“ betroffen. In dieser Phase ist das Bewusstsein vorhanden, dass man sich selbst verändern muss bzw. etwas im eigenen Umfeld geändert wird. Veränderungen bedeuten jedoch veränderte Verhaltensweisen, und dazu müssen die eigenen, einstudierten Prozesse geändert werden bzw. andere Kompetenzen erworben werden. Daher sinkt in dieser Phase die Wahrnehmung der eigenen Kompetenz. Für manche Beteiligte ist diese Phase mit der ausgeprägten Angst verbunden, den veränderten Anforderungen nicht gerecht werden zu können. Angst ist ein willkommener Anlass, um seine Haltung nicht verändern zu wollen.

Ausprobieren

In der fünften Phase setzen sich die Betroffenen aktiv mit den geänderten Anforderungen und Aufgaben auseinander. Die Einstellung gegenüber den Veränderungen ist positiv, wodurch ein Ausprobieren möglich ist. In dieser Phase erfährt man Rückschläge, aber auch erste Erfolge. Hierdurch steigt die eigens wahrgenommen Kompetenz. Die Menschen werden dadurch mutiger, weitere Schritte zu gehen und auszuprobieren.

Konsequenz

Die Phase des Ausprobierens führt zu ersten Erkenntnissen über die Auswirkungen der Veränderung und über die eigenen Kompetenzen. Die positive Grundeinstellung ermöglicht es jedem einzelnen, an seinen Kompetenzen zu arbeiten und dadurch mehr Selbstsicherheit im Umgang mit den neu erworbenen Kompetenzen zu erlangen.

Integration der Neuerungen

Diese Selbstsicherheit und die positiven Erfolge führen dazu, dass die Veränderung vollständig akzeptiert und in den Alltag integriert wurde. Die veränderte Situation ist jetzt zur Normalität geworden und es kehrt wieder Routine ein. An dieser Stelle lässt sich ein Fazit ziehen, um die nächsten Veränderungen noch besser managen zu können.

Diese letzte Phase zu erreichen, kann je nach Veränderungsprojekt mehrere Jahre dauern. Für die Veränderung der Unternehmenskultur können beispielsweise 3-5 Jahre veranschlagt werden. Ein Restrukturierungsprojekt kann hingegen schon nach 1-2 Jahren abgeschlossen sein. Da jeder Betroffene die Phasen unterschiedlich schnell durchläuft, werden nicht alle Mitarbeiter gleichzeitig in der letzten ankommen. Die Aufgabe der Führungskraft und des Projektteams ist es daher, solche Maßnahmen zu entwickeln und zu implementieren, die die Entwicklung und Bewegung der Mitarbeiter in die nächste Phase unterstützen.

Was tun mit Veränderungs-Verweigerern?

Sind wir realistisch: Nicht alle Mitarbeiter werden mitmachen. Bei manchen werden die getroffenen Maßnahmen keinen oder nur einen geringen Effekt zeigen. Diese Mitarbeiter werden häufig als „veränderungsresistent“ bezeichnet. Hier muss sich jedes Unternehmen die Frage stellen, wie mit solchen Mitarbeitern umgegangen wird. Wieviel Aufwand will man investieren, um auch Mitarbeiter im Wandel zu begleiten, die sich mit den Veränderungen schwerer tun als andere?

Das Verharren in einer früheren Phase zu akzeptieren ist auf jeden Fall keine Lösung. Verbleiben Mitarbeiter in den frühen Phasen des Wandels, so werden sie wieder in alte Verhaltensweisen zurückfallen und dadurch die Veränderung torpedieren. Ebenso muss in jeder Phase sichergestellt werden, dass Mitarbeiter nicht in eine frühere Phase zurückfallen. Die Gefahr dafür ist besonders in den Phasen 4 und 5 sehr groß, wenn der eigene Anteil an der Veränderung verstanden wird und erste Erfahrungen mit den Veränderungen gemacht werden. Sind diese Erfahrungen überwiegend negativ, geben Mitarbeiter schnell auf oder kehren in eine ablehnende Haltung zurück.

Die Eigenverantwortung des Mitarbeiters

Ich möchte an dieser Stelle alle ermutigen, einmal zu erkunden, was der Change-Prozess eigentlich Gutes für sie im Gepäck hat. Neuausrichtungen bieten nämlich die Chance zum Reset, zur Kompetenzerweiterung und die Möglichkeit, etwas anders machen zu dürfen.